DIVERSITY

SOZIOKULTURELLE EINFLÜSSE_DIVERSITY

Unsere Gesellschaft bewegt sich! Aktuelle gesellschaftliche und soziokulturelle Themen beeinflussen das modische Geschehen nachhaltig.Wir gehen sehr bewusst, wertschätzend und respektvoll mit Verschiedenheit und Individualität um. Wir erkennen Vielfalt als Potential für komplexe Lösungen.

Aufgrund von Globalisierungsprozessen im Sinne immer stärker vernetzter Arbeits- und Lebenswelten von Menschen. Durch Transnationalisierung und Individualisierung von Lebensverläufen steigt die kulturelle Vielfalt in unserer Gesellschaft an. In diesem Kontext gewinnt der Begriff Diversity eine Gesellschaftliche Dimension.

Gesellschaftliche Vielfalt, den respektvollen Umgang mit Verschiedenheit und die Stärkung individueller Rechte begreife ich als Kernfrage in Lifestyle und Design. Kreative Disziplinen handeln die gesellschaftlichen Konzepte von Geschlecht, Schönheitsidealen, Alter, sexueller Orientierung und die Position der Geschlechter aus und bieten uns neue Muster der Wahrnehmung und des Ausdrucks  der Persönlichkeit an.

Mit einem diversen Ansatz können wir auf Veränderungen reagieren, die heute schon einen enormen gesellschaftlichen Einfluss haben, in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen werden.

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Chromat_Fashionshow_NYFW

SOCIO-CULTURAL INFLUENCES_DIVERSITY

Our society is moving! Current social and socio-cultural issues have a lasting impact on fashion, and we deal with diversity and individuality in a very conscious, appreciative and respectful manner. We recognize diversity as a potential for complex solutions.

Current social and socio-cultural issues have a lasting impact on fashion. Due to globalization processes in the sense of increasingly linked working situations and living environments of people, transnationalization and individualization of life curriculums, the cultural diversity in our society increases. In this context, the term diversity takes on a social dimension.

I see social diversity, the respectful handling of diversity and the strengthening of individual rights as a key question in lifestyle and design. Creative disciplines negotiate the social concepts of gender, ideals of beauty, age, sexual orientation and the position of the sexes and offer us new patterns of perception and expression of the personality.

With a diverse approach, we can react to changes that already have an enormous social influence and will become even more important in the future.

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Gucci Beauty

Street meets Sophistcation

_English Version below

Kayne West tritt mit dem international bedeutenden Kunstkurator Hans Ulrich Obrist in Dialog. Drake arbeitet mit Obrist zusammen, um seine Kunstsammlung auf höchstem Niveau weiter auszubauen. Virgil Abloh kollaboriert mit dem Zürcher Künstler Pascal Moehlmann, der in der Manier der alten Meister Zitate der Popkultur mit Motiven des Vanitas- Stilllebens verbindet.

Pascal Moehlmann_ Dance with Me

Sowohl Kayne West und Drake, als auch Virgil Abloh stehen in direktem Zusammenhang mit der stilistischen Einbringung von Einflüssen der Strasse auf die Mode.

Das perfekte Handwerk der Haute Couture und das der akademischen Malerei mischen sich mit der Rauheit und der kreativen ungestümen Respektlosigkeit der Strasse. Es vermischen sich Kreativität, technische Perfektion und respektlose Neudefinitionen von Stil und Handwerk.

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Eine neue Generation von Designern respektiert keinerlei anachronistische gesellschaftliche Grenzen. Traditionen aus der Geschichte der Haute Couture und des Schneiderhandwerks werden komplett neu gedacht. Geschlechterzuordnungen und Machtpositionen, die sich durch Kleidung ausdrücken, werden neu gedacht. Modetheorie und Stilzitate wurden aus den Kleidertraditionen geerbt, dann aber vergessen und daraus etwas komplett Neues geschaffen. Das Gefühl der Eleganz wird neu definiert und alle Barrieren von Klassen und Kategorien aufgelöst.

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_ English Version_

Kayne West enters into dialogue with the internationally important art curator Hans Ulrich Obrist. Drake works with Obrist to further expand his art collection at the highest level. Virgil Abloh collaborates with the Zurich artist Pascal Moehlmann, who, in the manner of the old masters, combines quotes from pop culture with motifs from the Vanitas still life.

Pascal Moehlmann_ Vanitas Stilllife
Both Kayne West and Virgil Abloh are directly related to the stylistic incorporation of street influences on fashion.
The perfect craft of haute couture and that of academic painting mix with the roughness and creative impetuous disrespect of the street. Creativity, technical perfection and disrespectful redefinitions of style and craftsmanship mix.
A new generation of designers does not respect any anachronistic social boundaries. Traditions from the history of haute couture and tailoring are completely rethought. Gender assignments and positions of power expressed through clothing are being rethought. Fashion theory and style quotes were inherited from clothing traditions, but then forgotten and something completely new was created. The feeling of elegance is redefined and all barriers of classes and categories are removed.

Off White Mens 2020_ Videostill

 

 

_DREAMLAND, YOU HUMAN_

Die News von den internationalen Catwalks aus New York, London, Mailand und Paris überschlagen sich täglich lauthals. Der Text von Alessandro Michele über die Gucci- Kollektion Sommer 2020 kommt mir dabei immer wieder in Erinnerung. In diesem Text beschreibt er grundlegende Überlegungen zu seiner Kollektion. Er bezieht Stellung zu gesellschaftlichen Problematiken und bietet ein Szenario der Hoffnung welches Feld der Möglichkeiten Mode beschreiben kann.

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Gucci SS_2020

Zu diesem Text möchte ich Stellung beziehen.

Models in Kleidungsstücken, die die Bewegungsfreiheit behindern werden in einem laborähnlichen Raum von einem Förderband durch das Publikum geschoben. Alle Kleidungstücken sind in monochromem Weiß gehalten.

Die stilistische Basis dieser Kleidungstücke ist im Bereich von Uniformen, praktischer Bedarfsmode, vorgeschriebener Kleiderordnung und sogar Zwangsjacken zu sehen. Alle diese Kleidertypen stellen die wohl direkteste Versinnbildlichung von Kleiderzwängen dar. Mit ihnen können Kleiderzwänge und gesellschaftliche Machtverhältnisse in Verbindung gebracht werden.

Uniformierungen haben im militärischen Sinne die grundlegende Aufgabe Freund und Feind unterscheidbar zu machen und dienen neben all den praktischen Funktionen auch als identitätsstiftend. Die Uniform einer Straßengang, oder die Demonstration zur Zugehörigkeit einer Peer Group, oder einer Einkommenschicht,  bedient sich, lassen wir die Funktionalität beiseite, eines ganz ähnlichen Rasters. Hier beginnt eine der vielen Grauzonen in der Deutung von Kleidung. Die Demonstration von Gruppenzugehörigkeit als auch das modische Bekenntnis zu einer Gruppe inklusive aller Distinktionsmerkmale ist einer der vielen Doppel- und Mehrfachkodierungen in der Mode. Uniformierungen, ob ziviler oder miltärischer Natur, haben immer eine konservative Logik. Uniformierungen implizieren das Ausüben von Zwängen, ob die einer Gruppe oder individuelle Zwänge. Es geht um Distinktion und Kenntlichmachen. Damit spalten Uniformen die Gesellschaft in Freund und Feind, sie dienen dem optischen Selektion und deshalb schließlich der Spaltung einer Gesellschaft in diejenigen, die dazugehören und in Ausgestoßene.

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Sedona Legge

Kann praktische Bedarfsmode mit gesellschaftlichen Zwängen und Machtpositionen in Verbindung gebracht werden?

Die äußerst populäre Daunenjacke mit dünner Wattierung ist wohl das Sinnbild von praktischer Bedarfsmode. Gleichzeitig kann dieser Daunenjacke auch Nicht- Mode unterstellt werden. Im Gegensatz zu den riesigen skulptural wirkenden Daunenjacken- und Parkas von Off White und Balenciaga wirken besagte praktisch dünn wattierte Jäckchen wie die graue kleine Schwester, die auf nicht auffällt und gleichzeitig als vernüftig erscheinen möchte.

Praktische Mode kann nie Mode sein. Mode impliziert immer die Balance von Leichtigkeit, Mode impliziert immer Haltung, Mode ist immer Statement. Praktisch zu sein, ist das wohl unwichtigste Kriterium für Mode.

Seelenlose Bedarfsmode, deren hauptsächliche Aufgabe darin besteht, nicht nackt zu sein und nicht zu frieren beraubt uns dem Sichtbarmachen unserer Haltung. Sie gaukelt uns Mode vor, und ist doch nur ein seelenloses Massenprodukt, das den Bekleidungskonzernen hilft, mehr Gewinne auf Kosten von globaler Verantwortung und Nachhaltigkeit zu machen.

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Gucci SS_2020

In vielen Gesellschaftsschichten und Arbeitsverhältnissen herrschen strikte Kleiderordnungen. Das fängt bei gesellschaftlichen Anlässen an. Hochzeiten, Staatsempfänge und Bälle haben strikte Kleiderordnungen. Manche Berufsfelder schreiben bestimmte Typen von Anzügen und Kostümen vor. Es gibt fast ausgestorbene Kleiderordnungen, wie die Rauchjacke oder das Teekostüm. Kleiderordnungen bedienen sich aus modischer Sicht betrachtet, immer stilistischer Doppel- oder Mehrfachkodierungen.

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Off White AW_2019

Man kann mit absoluter Richtigkeit behaupten, dass der Männeranzug zu den perfektesten Kleidungsstücken zählt. Er unterstützt das biologische Schema Mann und verleiht diesem ästhetisch und funktional ein perfekt geordnet und diszipliniert wirkendes Äußeres. Auf der anderen Seite muss der Männeranzug mit dem Industriekapitalismus des vorletzten Jahrhunderts in Verbindung gebracht werden. Der Anzug ist das Standardkleidungsstück sämtlicher Fabrikbesitzer, weil er einen puritanischen Geist mit der Disziplin mit des Geldverdienens in Verbindung bringt und deshalb zum Zeichen einer nicht durchlässigen Gesellschaftsordung geworden ist. Er hat sich zum Kleiderzeichen des Kapitalismus moderner Ausprägung weiter entwickelt. Der Männeranzug ist auch der modische Code all derer, die im kapitalistischen System mitspielen wollen, die ihre Arbeitskraft in den Dienst eines Unternehmens stellen und durch ihre Kleidung signalisieren, dass sie bereit sind das Spiel des Marktes mitzumachen.

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Balenciaga AW_2019

Auf der anderen Seite kann der Männeranzug auch als modisches Statement interpretiert werden, wenn ihm die Attribute des Angepasstseins genommen werden. Anzüge in ungewöhnlichen Farbstellungen und extremeren Schnitten spielen mit der Balance von gesellschaftlicher Kleiderordnung und individuellem Ausdruck.

Ähnliche Mehrfachkodierungen kann man dem High Heel zuschreiben. Zum einen ein hocherotischer Schuh, der das Bein einer Frau verführerisch zu skulpturieren vermag. Zum anderen kann der High Heel auch als unbequemes und widernatürliches Schuhwerk gesehen werden. Zum dritten auch als Ausdruck einer von toxischer Männlichkeit durchdrungener Gesellschaft, in der eine Frau als Schönheitsobjekt gesehen wird und gehindert werden muss frei Schritte zu gehen. Dennoch spricht dieser Schuh von weiblicher Selbstbestimmtheit, weil die letztendliche Deutungshoheit bei der Träger*in und ihrer Haltung an selbst liegt.

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Gucci SS_2020

Werden all diese Kleiderformen von der Gesellschaft und denjenigen, die sich die Machtpositionen teilen diktiert und kontrolliert?

Die These, dass durch Mode ein normativer Druck aufgebaut wird und eigener Ausdruck eliminiert wird, trifft mit Bestimmtheit in großen Teilen der Gesellschaft  zu. Dieser Druck verordnet gesellschaftliche Normen, er teilt Menschen in Klassen ein und lenkt Identitäten in vorgefertigte Bahnen.

Mode im eigentlichen Sinne erlaubt den Menschen ihre Möglichkeiten zu erkunden, ihr Schönheitsideal zu kultivieren, Vielfalt wird zu ihrer heiligen Pflicht und feiert den Ausdruck und die Identität des Selbst.

Das Dreamland ist möglich, es liegt in jedem einzelnen Menschen.

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Harley Weir

_English Version_

When following collections and fashion events on the international designer catwalks in New York, London, Milan and currently, Paris, a text moves me emotionally. The text by Alessandro Michele about the Gucci collection Summer 2020 describes the idea of his collection. He takes a stand on social problems and offers a scenario of hope which field of possibilities can describe fashion.

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Gucci SS_2020

I would like to comment on this text.

Models in garments that impede freedom of movement are pushed into a lab-like room by a conveyor belt through the audience. All clothes are in monochrome white.

The stylistic basis of these garments is in the range of uniforms, utilitarian clothes, prescribed dress code and even straitjackets. All these types of clothing represent the most direct symbolization of clothes compulsions. With those garments constraints and social power relations can be connected.

In the military sense, uniforms have the fundamental task of making friend and enemy distinguishable and serve, in addition to all the practical functions, as identity-forming. The uniform of a street gang, or the demonstration of the affiliation of a peer group, or an income class, let`s put aside the functionality, uses of a very similar grid. Here codes start to blur in the interpretation of clothing. The demonstration of group affiliation as well as the fashionable commitment to a group including all distinguishing features is one of the many double and multiple encodings in fashion. Uniforms, whether civilian or military, always have a very conservative logic. Uniformity implies the exercise of constraints, whether that of a group or individual constraints. It’s about distinction and identification. Uniforms thus split society into friend and foe, they serve optical selection and therefore, finally, the division of society into those who belong to it and into outcasts.

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Gucci SS_2020

Can utilitarian fashion be associated with social constraints and power positions?

The extremely popular down jacket with thin padding is probably the symbol of utilitarian fashion. At the same time, this down jacket can also be subordinated to non-fashion. In contrast to the gigantic sculptural down jackets and parkas of Off White and Balenciaga, these practically thinly padded jackets look like the little sister, who does not attract attention and at the same time wants to appear reasonable.

Utilitarian clothes can never be fashion. Fashion always implies the balance of easyness, fashion always implies attitude, fashion is always statement. Utility is probably the least important criterion for fashion.

Soulless utilitarian non-fashion, whose main purpose is not to be naked and not to be cold, deprives us of the visibility of our attitude. It sets us up for fashion, yet it’s just a soulless mass-produced product that helps apparel companies make more profits at the cost of global responsibility and sustainability.

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Gucci SS_2020

Strict dress codes prevail in many social classes and employment relationships. It starts on social occasions. Weddings, state receptions and balls have strict dress codes. Some occupations require certain types of suits and costumes. There are almost extinct dress codes, such as the smoke jacket or the tea costume. Dress codes, viewed from a fashionable point of view, always use stylistic double or multiple encodings.

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Gucci SS_2020

It can be said with absolute accuracy that the men’s suit is one of the most perfect garments. He supports the sex man and his physical schema and gives him a aesthetically and functionally perfectly ordered and disciplined appearance. On the other hand, the men’s suit must be associated with the industrial capitalism of the penultimate century. The suit is the standard garment of all factory owners, because it combines a Puritan spirit with the discipline of earning money and has therefore become a sign of an impermeable social order. It has further developed into a symbol of capitalism of modern form. The men’s suit is also the fashionable code of all those who want to play in the capitalist system, put their workforce in the service of a company and signal through their clothes that they are ready to play the game of the market.

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Vetements AW_2019

On the other hand, the men’s suit can also be interpreted as a fashion statement if it takes the attributes of being fitted. Suits in unusual colors and more extreme cuts play with the balance of social dress code and individual expression.

Similar multi-coding has the women`s high heel. On the one hand, a highly erotic shoe that is able to seductively sculpt a woman’s leg. On the other hand, the high heel can also be seen as an uncomfortable and unnatural footwear. Third, as an expression of a society permeated with toxic masculinity, in which a woman is seen as a beauty object and must be prevented from taking any steps.

Will all these dress forms be dictated and controlled by society and those who share power positions?

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Gucci SS_2020

The thesis that normative pressure is built up through fashion and that one’s own expression is eliminated is certainly true in large parts of society. This pressure prescribes social norms, divides people into classes and directs identities into ready-made paths.

Fashion in the true sense allows people to explore their possibilities, to cultivate their ideal of beauty, diversity becomes their sacrosanct and celebrates the expression and identity of the self.

Dreamland is possible, it is in every single person.

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Harley Weir

_FLOWERS_ Autumn Winter 2019

English Version below_

Blumenmotive und florale Inspirationen nehme ich als eine der herausragend wichtigen Modeerscheinungen in dieser Saison Herbst Winter 2019 wahr. Bei einem derart starken Trend drängt sich mir die Frage auf, weshalb gerade jetzt so viele und auch qualitativ so gute florale Motive in der internationalen Designszene zu finden sind.

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Givenchy AW 2019

Lassen wir Konnotationen eines Bedürfnisses nach Natur und einer sauberen Umwelt, oder nach Freizeit und Entspannung wie auf einem Hawaiihemd links liegen.

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Dries van Noten AW 2019

Spannend erscheint mir der Blick zurück in die Historie der Malerei, genau in die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts. Aktuelle Blumenmotive aus vielen Designerkollektion von Dries van Noten, über Off_White bis hin zu Givenchy scheinen mir von ihrer Stilistik, aber auch von ihrer Emotion her betrachtet, eine gewisse ästhetische Verwandtschaft mit Motiven der niederländischen Malerei zu haben.

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Dries van Noten AW 2019

Dienen die Motive als Feigenblatt für eine gewisse Freude am Luxus und am Prunk, wie in der niederländischen Malerei?

Betrachten wir dazu Ambrosius Bosschaert, einen der herausragenden Blumenstillleben-Maler seiner Zeit.

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Ambrosius Bosschaert

Blumenarrangements vereinen mehrere Aspekte, die in abgewandelter Form auch für die anderen Stilllebengattungen gelten. Von Bedeutung ist beispielsweise, welche Blumen in welcher Kombination angeordnet sind. Eine der Kernbotschaften ist die Frage, ob die abgebildeten Blumen überhaupt zur selben Zeit in Blüte stehen können. Wenn ja, deuten sie auf die Allegorie einer bestimmten Jahreszeit. Wenn nein, deuten sie auf einen utopischen Zustand der Welt, womit gemeinhin das Paradies gemeint ist. Exotische Blumen und Früchte deuten entweder auf Reichtum und Luxus im Sinne von Raritäten,  oder auf weitreichende Handelsbeziehungen in ferne Länder, im Sinne einer globalisierten Welt.

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Off White AW 2019

Erzählen uns also florale Motive aus aktuellen Kollektionen von einer Utopie unserer Gesellschaft? Lassen sie uns ein Paradies für uns Menschen erahnen? Oder dienen die Motive im Sinne eines Statussymbols der Zurschaustellung von Reichtum?

Da Mode im unscharfen Bereich agiert, bleibt es uns überlassen, ob wir unseren Luxus nach außen stellen wollen, oder auf die Utopie einer paradiesischen Gesellschaft anspielen wollen.

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English Version

Floral motifs and floral inspirations I perceive as one of the outstandingly important trends this season Fall Winter 2019 true. With such a strong trend the question arises, why so many and also qualitatively good floral motifs can be found in the international design scene.

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Let’s leave aside connotations of a need for eco and nature, or for leisure and relaxation as on a Hawaiian shirt.

It seems to me exciting to go back to the history of painting, to the Dutch painting of the 17th century. Current floral motifs from many designer collections by Dries van Noten, from Off_White to Givenchy seem to me to have a certain aesthetic similarity to Dutch painting as far as stylistics and emotion are concerned.

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Do the motifs serve as a fig leaf for a certain pleasure in luxury and splendor, as in Dutch painting?

Consider Ambrosius Bosschaert, one of the most outstanding flower still life painters of his time.

Floral arrangements combine several aspects that apply in a modified form to the other types of still lifes. Of importance, for example, which flowers are arranged in which combination. One of the key messages is the question of whether the pictured flowers can bloom at all at the same time. If so, they point to the allegory of a particular season. If not, they point to a state of the world, which is commonly called paradise. Exotic flowers and fruits indicate either wealth and luxury in the sense of rarities, or far-reaching trade relations with distant countries, in the sense of a globalized world.

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So do floral motifs from current collections tell us about a utopia of our society? Let us guess a paradise for us humans? Or are the motifs in the sense of a status symbol of the display of wealth?

As fashion operates in the blurred area, it is up to us whether we want to put our love for luxury on the outside, or to allude to the utopia of a paradise society.

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ABK Stuttgart 2019

Catchy Perspectives_

_ English Version below_

Mode will wahrgenommen werden. Jedes Label kommuniziert seinen Code und seine ganz individuellen Stories. Es geht um Distinktion, um Einzigartigkeit und Wahrnehmung in einer kaum zu überblickenden Flut von Modelabels und modischer Aussage. Letztendlich geht es um die Generierung und Bindung möglichst vieler potentieller und reeller Kunden.

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Balenciaga 2019

Der Katalysator für diese Formen des Storytelling finden sich bei den Social Media. Mit der ihnen eigenen implizierten Kleiderkommunikation und emotionalen Visualisierung unter Verwendung von Bild, Text und Sound. Die Kommunikation von Mode und Lebensgefühl auf einem Mobiltelefonbildschirm beeinflusst die Wahrnehmung von uns Menschen. Die Aussage von Mode muss sich immer stärker einem drei Sekunden Rhythmus anpassen.  Dieser wird von den Wischbewegungen auf dem Mobiltelefon diktiert. Das Bild und der modische Code muss in dieser Zeitspanne eine möglichst individuelle Botschaft erzählen, die die Aufmerksamkeit des Betrachters einfängt.

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Balenciaga 2019

_ English Version_

Fashion wants to be perceived. Each label communicates its code and its own individual stories. It’s about distinction, uniqueness and perception in a barely overlooked flood of fashion labels and fashion statements. Ultimately, it is about generating and retaining as many potential and real customers as possible.

The catalyst for these forms of storytelling can be found in social media. With their own implied way of clothing communication and emotional visualization using image, text and sound. The communication of fashion and lifestyle on a mobile phone screen affects the perception of us human beings. The statement of fashion must adapt more and more to a three-second rhythm. This is dictated by the swiping movements on the mobile phone. The image and the fashionable code must communicate in this time span a message as individual as possible, which captures the attention of the beholder.

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Louis Vuitton 2019

 

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_new york fashion week_new fashion inspirations emerging_zippy, opulent, overwhelming fashion extravagenza appearing_streetstyle inspirations decrease_it`s all about the principle of movement and counter-movement_

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_cut outs _perfectly rethought _showing fresh creative funkiness _nineties vibes meeting athleisure sexyness _@Vetements _@Off White_

_new forms of distinction_from bourgeoisie to subculture_

_english text below_

Beim Durchblättern diverser Modeinformationskanäle sehe ich nach wie vor Sportswear- und Streetweareinflüsse.  Daneben stehen Referenzen an die siebziger, achtziger und neunziger Jahre. Mit der Dior Men`s Wear Kollektion von Kim Jones, die uns in Richtung Zukunft beamt, zeichnen sich weitere starke Trends ab.

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Gucci_2018

Doch woher kommt der starke Einfluss von Streetwear und Sportswear?

Mode und die daraus resultierenden Kleiderstile entwickeln sich meist evolutionär und weniger, wie es uns die Modemagazine und die zahllosen Modeblogger aus marketingtaktischen Gründen glauben machen wollen, revolutionär. Unser heutiges Kleiderverständnis ist geprägt von dem historischen Prozess der Entwicklung soziologischer Vorbildfunktionen und Machtpositionen und der Akzeptanz oder der Ablehnung eben dieser.

Seit der industriellen Revolution um 1870 prägt das Industriebürgertum im Sinne des Bewahrens der Machtpositionen des Ancien Regimes die stilistische Akzeptanz von Kleiderbasistypen und vor allem das bürgerliche Kleider- und Rollenverständnis. Das ist für die Frau das „Kleid“ und den Mann der „Anzug“. Mode im konservativen Sinne bedeutet seither, dass der Mann seinen Reichtum modisch über die Kleider und Accessoires seiner Frau ausdrückt. Besonders die Kleiderform des Anzugs ändert sich stilistisch nur noch in Details. Es entstand eine angepasste Männermode, deren Ausdruck von Fleiß, Disziplin und puritanischem Verzicht geprägt war.

Mit dem Einfluss der Jugendkulturen, die als eigenständiges Genre seit den 1950- iger Jahren in der Mode wahrgenommen wird, fängt die zuvor stillschweigend akzeptierte Machtposition zwischen dem Großbürgertum und der Arbeiterschicht zu bröckeln. Das findet auch seinen Ausdruck in der Mode. Vereinfacht sahen vor dem Beginn der Jugendkulturen die Teenager aus wie Eltern, nur eben jünger mit weniger faltiger Haut. Jugend bekommt in dieser Zeit seine eigene stilistische Kodierung. Mit ihr begann der Stolz ihre Andersartigkeit möglichst offensiv zur Schau zu tragen.

Die Geschichte der klassischen Subkulturen kennen wir alle. Seit 1982 gilt Jugendkultur als Ideenreservoir der Modeindustrie, die in dieser Zeit an einer Phase der Ideenlosigkeit litt. Damit begann auch die kommerzielle Ausbeutung verschiedenster Subkulturen. Gleichzeitig brannten sich neue Archetypen von Kleidung in die kollektive Imagination.

_english text_

As I browse through various fashion information channels, I see lots of sportswear and streetwear influences. There are also references to the seventies, eighties and nineties. With the Dior Men`s Wear Collection by Kim Jones, which is beaming us towards the future, there are further strong trends.

But where does the strong influence of streetwear and sportswear come from?

Fashion and the resulting styles of garments are developing evolutionarily and less, as the fashion magazines and the countless fashion bloggers want to make us believe for marketing reasons, revolutionary. Our understanding of clothing today is shaped by the historical process of the development of sociological role models and positions of power and their acceptance or rejection.

Since the industrial revolution of 1870, industrial bourgeoisie has shaped the stylistic acceptance of types of clothing base and, above all, the bourgeois understanding of garments and  gender roles in the sense of preserving the positions of power of the ancien regime. This is the „dress“ for the woman and the „suit“ for the man. Fashion in the conservative way of thinking means since then that the man expresses his wealth with the fashionably clothes and accessories of his wife. Especially the dmen`s suit changes stylistically only in details. The result was an adapted menswear whose expression was characterized by diligence, discipline and Puritan renunciation.

With the influence of youth cultures, which has been perceived as an independent genre since the 1950s in fashion, the previously tacitly accepted power position between the upper bourgeoisie and the working class begins to crumble. This also finds its expression in fashion. Simply spoken, before the onset of youth culture, teens looked like parents, just younger with less wrinkled skin. Youth gets his own stylistic coding during this time. With this, the pride began to show off the otherness as aggressively as possible.

We all know the history of classical subcultures. Since 1982, youth culture has been regarded as a reservoir of ideas for the fashion industry, which at this time was suffering from a period of lack of ideas. This also began the commercial exploitation of various subcultures. At the same time, new archetypes of clothing burned into the collective imagination.

 

 

 

 

 

 

 

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Balenciaga

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Balenciaga
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Off White
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Off White
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Vetements

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_english text below_

Punk war wohl der rebellischte und gleichzeitig plakativste aller Jugenduntergrundkulturen bis 1982, also der subkulturellen Klassik. Das stereotype Punk- Image, das in unserem kollektiven Imaginären verblieben ist, ist mittlerweile auf mit Nieten, Kritzeleien und „Buttons“ übersäte Perfecto- Motorradlederjacken und den nicht zu übersehenden Irokesenschnitt reduziert.

Besonders der frühe Punk spielte sehr subtil und gleichzeitig äußerst eindeutig mit stilistischen Kodierungen und Dekontextualisierungen.

Was ist Dekontextualisierung? In unserem Verständnis der Kleiderkommunikation im Sinne des kollektiven Imaginären sind visuelle, olfaktorische und auditive Zeichen wahrnehmbar, dechiffrierbar und individuell deutbar.

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Johnny Rotten 1979

Auf dieser Basis beginnt auf dem T- Shirt von Johnny Rotten ein sehr kreatives Spiel mit den Zeichen der Druckmotive. Als Überschrift lesen wir „Destroy“, ob als Handlung, Aufforderung oder das Individuum selbst betreffend, bleibt unklar. Die Briefmarke mit der englischen Königin Elizabeth II ist ein Symbol für die Macht des Staates. Das Drucken von Briefmarken ist der Staatsgewalt vorbehalten und ein Missbrauch streng verboten. Das Kreuz als Zeichen der Kirche ist auf dem Kopf und kann in dieser Form der Darstellung als satanisch verstanden werden. Das Hakenkreuz im Hintergrund ist ein Zeichen der Provokation. Ich möchte erwähnen, dass Hakenkreuzsymbole im frühen Punk, aber genauso im Hardrock und Heavy Metal in den End 1970- iger Jahren häufige Verwendung fanden.

All diese Zeichen sind aus ihrem Kontext genommen dennoch ist ihre eigentliche Bedeutung wahrnehmbar. Durch die Kollage entsteht ein neuer Zusammenhang und eine anarchistische Form des „Storytelling“. Der Betrachter kann diesen neu geschaffenen Zusammenhang  empfinden und deuten und so seine eigene Geschichte aus der individuellen Wahrnehmung heraus für sich selbst erzählen.

Das Modelabel Vetements folgt dieser anarchistischen Tradition. Das Stilmerkmal der Dekontextualisierung wird hier in Form von Umschlägen von Reisepässen als Schuhleder verwendet. Der Reisepass ist ein Zeichen der Autorität eines Staates, er ordnet Menschen Nationalitäten zu und bestimmt gleichzeitig die individuelle Freizügigkeit. Der Pass ist Zeichen der staatlich lesbaren Identität einer Person. Den Schuh kann man als einfachstes Mittel des physischen Vorwärtsschreitens sehen. Ohne die Erfindung von Schuhen wäre die globale Besiedlung unseres Planeten durch die Menschheit nicht möglich gewesen. Bringt man diese Handlungsstränge zusammen, so entsteht eine sehr subtile Geschichte mit anarchistischem Potenzial. Die Stränge der Handlung entstehen spielerisch aus der Kommunikation von Kleidung und ihrer Zeichen.

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Vetements_AW-2018

Punk was probably the most rebellious and at the same time most striking of all youth underground cultures until 1982, ie the subcultural classic. The stereotypical punk image that has remained in our collective imaginary, with rivets, scribbles and „buttons“ laced with Perfecto motorcycle leather jackets and the not to be overlooked mohawk.

Especially the early punk played very subtly and at the same time very clearly with stylistic codes and decontextualizations.

What is decontextualization? In our understanding of dress communication in the sense of the collective imaginary, visual, olfactory and auditory signs are perceptible, decipherable and individually interpretable.

On this basis, the Johnny Rotten T-shirt starts a very creative game with the characters of the print motifs. As headline, we read „Destroy“, whether as an action, solicitation or the individual himself, remains unclear. The stamp with the English Queen Elizabeth II is a symbol of the power of the state. The printing of stamps is reserved for the state and abuse is strictly forbidden. The cross as a sign of the church is upside down and can be understood in this form of representation as satanic. The swastika in the background is a sign of provocation. I would like to mention that swastika symbols were often used in early punk, but also in hard rock and heavy metal in the late 1970s.

All these signs are taken out of context, yet their true meaning is perceptible. Collage creates a new context and an anarchic form of „storytelling“. The viewer can feel and interpret this newly created context and thus tell his own story for himself from the individual’s perception.

Fashion label Vetements follows this anarchist tradition. The stylistic feature of decontextualization is used here in the form of envelopes of passports as shoe leather. The passport is a sign of the authority of a state, it assigns people to nationalities and at the same time determines the individual freedom of movement. The passport is a sign of the state-readable identity of a person. The shoe can be seen as the simplest means of physically advancing. Without the invention of shoes, humanity’s global occupation of our planet would not have been possible. Bringing these storylines together creates a very subtle story with anarchistic potential. The strands of action playfully emerge from the communication of clothing and its signs.

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